Offener Brief an die Frankfurter Buchmesse

Sehr geehrter Herr Direktor Boos!

Wir nehmen seit mehr als 25 Jahren an der Frankfurter Buchmesse teil.
Wir haben die Frankfurter Buchmesse für ihren Einsatz für verfolgte und
unterdrückte Autor/inn/en und Literatur und ihr Eintreten für die
Grundwerte der Demokratie immer außerordentlich geschätzt.

Im Vorfeld der heurigen Messe und auch am Beginn der Messe hieß es, dass
es problematische Ausstellerbeteiligungen von Vertretern aus dem
rechtsextremen Lager geben soll. Wir haben der Angelegenheit keinerlei
weitere Beachtung geschenkt, weil wir davon ausgegangen sind, dass die
Frankfurter Buchmesse rechtsextremen Aktivitäten sicher keine Bühne
geben wird. Das sehen wir seit gestern Nachmittag anders.

Gestern Nachmittag wurde der 74jährige Verleger bzw. Betreiber des
Trikont Verlages bzw. Indie-Labels Achim Bergmann von einem Zuhörer vor
dem Verlag der rechtsextremen „Jungen Freiheit“ wegen eines Zwischenrufs
vom Gang aus mit der Faust niedergeschlagen. In weiterer Folge wurde
auch seine Mitarbeiterin niedergestoßen und ihr Mobiltelefon durch die
Halle geschleudert. Das alles hat sich in nächster Nähe zu unserem Stand
und dem Österreich-Stand ereignet, wo Achim Bergmann auf dem Weg zum
Stand des österreichischen Wieser Verlags war. Trikont begeht heuer sein
50. Bestandsjubiläum und ist ein großer Freund der neuen
österreichischen Volksmusik und u.a. der Entdecker von Attwenger.

Auch wenn alles polizeilich aufgenommen und der Angreifer festgenommen
wurde, so bleibt der Vorfall doch ein bisher unvorstellbarer Akt auf
einer Frankfurter Buchmesse. Unser Stand und der Österreichstand sowie
zahlreiche andere österreichische Verlagsstände (übrigens auch der
Länderstand der Schweiz} wurden also in Nachbarschaft zu rechtsextremen
Ausstellern angesiedelt, das war uns bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst.

Ich möchte Ihnen als Ergebnis dieses Vorfalls in unserer Nachbarschaft
daher in aller Klarheit und Deutlichkeit sagen:

Rechtsextreme Verlage sind in unserer Nachbarschaft nicht willkommen.
Wir kommen nicht zur Frankfurter Buchmesse und bezahlen dafür, um uns
mit rechtsextremen Ausstellern in einer gemeinsamen Ausstellung zu zeigen.

Wir erlauben den Feinden der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt
nicht, sich der Mittel der Demokratie zur Abschaffung der Demokratie zu
bedienen. Wir gestehen ihnen kein Recht zu, ihr menschenverachtendes
Gedankengut Seite an Seite mit uns als gleichwertige Produkte zu
präsentieren.

Wir sind nicht bereit, die Anwesenheit von Rechtsextremisten und
rechtsextremen Ausstellern auf der Frankfurter Buchmesse stillschweigend
hinzunehmen.

Wir können vielleicht nicht die Wiederentstehung rechtextremistischer
Gedanken verhindern, wir haben aber die Verpflichtung, ihrer Ausbreitung
jeden demokratischen Widerstand entgegenzusetzen, zu dem wir imstande sind.

Rechtsextreme Aussteller mit Schlägern in ihrem Umfeld haben auf der
Frankfurter Buchmesse nichts verloren.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Ruiss

IG Autorinnen Autoren, Wien

Christian Berger
literadio

Frankfurter Buchmesse Halle 4.1.B 33
14.10.2017